Wirklich begehrenswert?

Zürich (Schweiz), 15. Juni 2011 - Dem Lateiner sagt das Wort Aveo etwas: Es bedeutet "Ich begehre". Autofans fällt zu dem Stichwort nur dann Sinnvolles ein, wenn sie zur kleinen Gruppe der Kleinwagen-Enthusiasten gehören. Aber im Jahr 2010 wurden immerhin rund 3.300 Stück vom Chevrolet Aveo verkauft, mehr als zum Beispiel vom Porsche Panamera, und den kennt nun wirklich fast jeder. Kein geeigneter Vergleich? Nun ja. Wir haben die neue Generation des Aveo jedenfalls getestet, um herauszufinden, wie begehrenswert der Wagen ist. Wir wählten eine Brot-und-Butter-Version: das Schrägheckmodell mit 86-PS-Benziner und manuellem Getriebe.

Schleichender Marktstart
Den Chevrolet Aveo gibt es bei uns seit 2006. Zunächst nur als viertüriger Stufenheck-Kleinwagen verkauft, wurde später auch der drei- und fünftürige Kalos als Aveo vertrieben. Die neue Aveo-Generation steht nun am Start. Geplant ist eine Art fliegender Start: Das Auto ist ab sofort bestellbar, doch die Händler werden erst nach und nach bestückt - daher auch die wenig exakte Angabe "Marktstart im Sommer 2011". Der neue Chevy ist jedenfalls eine komplette Neukonstruktion, schärft man uns ein. Der Neuling wird als Viertürer mit Stufenheck und als Fünftürer mit Schrägheck verkauft, der Dreitürer entfällt. Der Fünftürer misst 4,04 Meter in der Länge und konkurriert so mit Kleinwagen wie dem Skoda Fabia, aber auch dem Dacia Sandero.

Vier Opel-Motoren
Unter die Haube kommen Aggregate aus dem Regal des Mutterkonzerns General Motors, man könnte auch sagen von Opel. Aus dem Corsa bekannt sind der 1,2-Liter-Benziner mit 70 oder 86 PS sowie der 1,4-Liter-Ottomotor mit 100 PS. Den 1,6-Liter mit 115 PS gibt es im Astra. Ende 2011 soll noch der ebenfalls von Opel her bekannte 1,3-Liter-Diesel mit Start-Stopp-System dazukommen. In allen Modellen serienmäßig gibt es eine Fünfgang-Schaltung, beim 1,4-Liter-Modell gibt es optional eine Sechsgang-Automatik.

Müde 86 PS, aber recht sparsam
Der von uns gefahrene 86-PS-Benziner mit vier Zylindern ist ein recht müdes Aggregat. Ein Blick ins Datenblatt bestätigt es: Der Sprint auf Tempo 100 dauert 13,4 Sekunden - damit ordnet sich das Auto unter den Benzin-Kleinwagen im untersten Viertel ein. Für die Stadt reicht das aus, aber nicht für Fahrer, die sich oft auf Landstraßen, Autobahnen oder gar bergauf bewegen. Man muss schon fleißig schalten, wenn man unseren Chevrolet Steigungen hinaufbringen will. Das Überholen lässt man besser gleich sein, wenn es nicht gerade ein Traktor oder Radfahrer ist. Je weiter man herunterschaltet, desto lauter wird es natürlich. Nach unseren Ausfahrten zeigt der Bordcomputer einen Verbrauch von 6,5 Liter an. Chevrolet gibt den Spritbedarf mit 5,5 Liter pro 100 Kilometer an. Damit liegt der Aveo mittelmäßig bis gut. Die Bandbreite der Konkurrenz reicht von Spritsäufern wie dem Sandero 1.6 MPI mit 84 PS (7,3 Liter) bis zum vorbildlichen Suzuki Swift mit 94 PS (4,9 Liter).

Schwammiges Fahrwerk
Das Fahrwerk unseres Kleinen fällt schon bald durch seine Schwammigkeit bei schnellen Lenkmanövern auf. Das spürt man, wenn man beispielsweise bei Tempo 80 das Lenkrad sacht und kurz hin- und herbewegt, ohne die Landstraßenspur zu verlassen. Ein straff abgestimmter Mini ruckt bei sowas nur waagerecht hin und zurück. Der Vorderwagen des Aveo dagegen macht wenig definierte Bewegungen, die einem fast oval vorkommen. Bei Unebenheiten poltert der Kleinwagen etwas. Das ist akustisch nicht angenehm, bedeutet aber auch, dass man Asphaltrisse eher hört als spürt. Der Federungskomfort geht also in Ordnung. Die elektrische Servolenkung des 1,2-Liter-Aveo macht einen ordentlichen Eindruck. Sie hat uns wesentlich besser gefallen als die teigige elektrohydraulische Lenkung, die im 1,4-Liter-Modell eingesetzt wird.

Motorrad-Armaturen
Im Innenraum des Aveo fällt zuerst die kleine, auf die Lenksäule gesetzte Einheit auf, die an Motorräder erinnert und die Anzeigen beinhaltet. Sie ist vom kleinen Bruder Chevrolet Spark bekannt und gefällt. Zum Motorradthema passt die rot leuchtende Nadel des analogen Drehzahlmessers, die sich ausgehend von der Sechs-Uhr-Stellung im Uhrzeigersinn nach oben bewegt. Dazu passt der Digitaltacho daneben. Die Materialanmutung im Cockpit ist aber mau: Es dominiert Hartplastik, das bei unserem Testwagen bereits an vielen Stellen verkratzt ist. Die Sitze bieten für einen Kleinwagen aber ordentlichen Seitenhalt.

Glanzpunkte: Fond und Kofferraum
Am Besten am Aveo gefallen uns der Sitzkomfort im Fond und der Kofferraum. Auf den Rücksitzen ist auch für Erwachsene viel Platz. Stellt sich ein 1,75 Meter großer Insasse den Fahrersitz richtig ein, bleiben einem gleich großen Mitfahrer dahinter noch etwa sechs Zentimeter Kniefreiheit. Ebenso viel Platz bleibt über dem Kopf - hier macht sich bezahlt, dass der Aveo mit 1,52 Meter für einen Kleinwagen recht hoch ist. Dass Fächer in den Fondtüren fehlen, wiegt weniger schwer. Der Kofferraum fasst 290 Liter. Der Wert für umgeklappte Sitze und dachhohe Beladung fehlt noch, bei fensterhoher Beladung passen 653 Liter in die Schrägheck-Variante.

Gut nutzbares Ladeabteil
Wichtiger als die trockenen Zahlen: Das Gepäckabteil ist gut nutzbar, jedenfalls mit dem Einlegeboden, den unser Testwagen besitzt. Er lässt sich ähnlich wie beim VW Polo in verschiedenen Höhen platzieren, was recht leicht geht. In der untersten Position ist am meisten Kofferraum geboten. Die mittlere Lage empfiehlt sich bei umgeklappten Rücksitzen, da man dann schwere Getränkekisten ohne störende Schwelle weit ins Auto hineinschieben kann. Die oberste liegt nicht weit über der mittleren und egalisiert den halben Zentimeter Höhenunterschied zum Plastik an der Einladeschwelle. Ob der praktische Einlegeboden Serie ist oder Aufpreis kostet, steht allerdings noch nicht fest.

Auf den ersten Blick nicht gerade günstig
Damit sind wir beim letzten Punkt: Preis und Ausstattung. Ein Kleinwagen von einer weniger prestigeträchtigen Marke wie Chevrolet muss entweder günstig sein oder gut ausgestattet - oder beides. Die Preisliste des Fünftürers allerdings lässt einen zunächst einmal erschrecken. Sie beginnt bei 11.990 Euro, wofür man die 70-PS-Version in der Basisausstattung LS erhält. Den getesteten 86-PS-Aveo gibt es für 14.690 Euro in der mittleren Version LT - eine andere Ausstattung gibt es hier gar nicht. Knapp 15.000 Euro sind nicht wenig, oder? Einen Dacia Sandero mit 84 PS gibt es schließlich bereits ab 9.990 Euro. Das Billigauto ist aber ein Sonderfall, danach geht es schnell preislich aufwärts: Für einen Hyundai i20 mit 78 PS zahlt man schon mindestens 12.250 Euro, für einen Skoda Fabia 1.2 TSI mit 86 PS etwas über 13.000 Euro und ein fünftüriger Opel Corsa mit dem gleichen 86-PS-Motor reicht schon fast an die 14.000 Euro heran. All diese Alternativen sind aber immer noch günstiger als der kleine Chevy.

Gute Ausstattung
Allerdings scheint die Ausstattung gut zu sein. Scheint, denn eine komplette Liste liegt noch nicht vor. Nach den verfügbaren Angaben hat die LT-Version sechs Airbags, ESP, elektrische Fensterheber vorne, CD-Radio, Klimaanlage und Tempomat. Die Außenspiegel muss man manuell einstellen, die rückwärtigen Fenster per Hand kurbeln. Wie es mit der Zentralverriegelung steht, geht aus den bisherigen Daten nicht hervor. Bezieht man die Ausrüstung mit ein, vermindert sich der anfängliche Schreck über den Aveo-Preis. Das wird am Beispiel des Skoda Fabia 1.2 TSI mit 86 PS deutlich. Dessen Basisvariante gibt es zwar bereits ab 13.080 Euro. Doch mit CD-Radio, Klimaanlage, elektrisch einstellbaren Außenspiegeln, elektrischen Fensterhebern vorn und Zentralverriegelung (Ambiente) zahlt man auch hier 15.080 Euro.
Technische DatenAntrieb    Frontantrieb
Anzahl Gänge:    5
Getriebe:    Schaltung
Motor Bauart:    Otto-Reihenmotor, Multi-Point-Einspritzung, DOHC
Leistung:    63 kW (86 PS) bei 5.600 UPM
Hubraum:    1.229
Drehmoment:    115Nm bei 4.000 UPM
Anzahl Ventile:    4
Anzahl Zylinder:    4


Preis
 Neupreis: 14.690 *) € (Stand: Juni 2011)

Fazit
 Die Stärken des neuen Aveo sind rasch aufgezählt: der üppige Platz im Fond, der gut nutzbare Kofferraum und die gute Ausstattung. Ansonsten hat uns das Auto enttäuscht. Der müde 86-PS-Motor ist nur für den reinen Stadteinsatz zu empfehlen. Genauso das Fahrwerk: Für die Stadt ist es okay, aber wehe, man lässt das gelbe Ortsschild hinter sich. Der Preis von knapp 15.000 Euro ist eher hoch. In Anbetracht der Schwächen von Motor und Fahrwerk würden wir sagen: Wirklich begehrenswert ist das Auto nicht.

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